Ghetto Kauen (Kaunas / Kowno)
Signatur
DE ITS 1.1.18
Entstehungszeitraum
1943 - 1945
Anzahl Dokumente
824
Form und Inhalt
Die Sammlung enthält v.a.:
Verschiedene Rechnungen, Aufstellungen, Bestandsaufnahmen, Korrespondenz und Pläne des Ghettos Kauen, Leistungsberichte der KL Werkstätten, Verwaltungsbefehle, Aktenplan der Verwaltung, Liste befreiter Frauen durch die Rote Armee, Liste überlebender Juden
Geschichte des Ghettos und Konzentrationslagers Kauen (Kaunas, Kowno) 1941-1944:
Die litauische Stadt Kaunas (dt. Kauen, russ. Kowno) wurde am 24. Juni 1941 von deutschen Truppen besetzt. Kurz zuvor kam es zu einem von litauischen Nationalisten entfachten Pogrom gegenüber der jüdischen Bevölkerung, die pauschal beschuldigt wurde, während der einjährigen Besatzung Litauens vom 15. Juni 1940 bis zum 24. Juni 1941 mit den sowjetischen Behörden vermeintlich kollaboriert zu haben. Durch die Tätigkeit der Einsatzgruppe A und der SS wurde diese gewalttätige Stimmung intensiviert. In den ersten zwei Tagen der deutschen Besatzung wurden 800 bis 1.000 Juden infolge des anhaltenden „wilden“ Pogroms ermordet. In den darauffolgenden Tagen gingen die deutschen Truppen zu systematischen Mordaktionen über. Am 6. Juli 1941 ereignete sich ein Massaker im Fort VII, einer zaristischen Befestigungsanlage im Stadtgebiet, bei dem 3.000 Juden ermordet wurden. Eine weitere Exekutionsstätte war das Fort IX, wiederum ein Teil der alten Befestigungsanlage Kaunas. Von den 40.000 Menschen der jüdischen Bevölkerung, die vor der deutschen Besatzung in Kaunas lebten, überlebten nur 30.000 diese erste Mordwelle. Die deutschen Besatzungsbehörden gingen im Ende Juli/Anfang August dazu über die noch lebenden Juden in einem Ghetto in dem Vorort Viliampole/Slobodka zu konzentrieren. Unmittelbar an die „Übersiedlung“, die bis zum 15. August 1941 andauerte, kam es zu einer erneuten Intensivierung der Mordaktionen. Bis zum Oktober 1941 wurden weitere 13.000 Juden aus dem Ghetto durch SS und litauische Kollaborateure ermordet. Das Ghetto Kaunas wurde in ähnlicher Weise wie das Ghetto in Riga zu einem Deportationsziel von Transporten aus dem Deutschen Reich und annektierten Gebieten. Am 29. November erreichten 2.000 Juden aus Wien und Breslau das Ghetto. Weiterhin trafen Transporte aus Frankreich und der Tschechoslowakei ein. Viele der Deportierten wurden umgehend nach ihrer Ankunft selektiert und im Fort IX erschossen. Während der sog. ruhigen Phase in der Geschichte des Ghettos (1942 bis Anfang 1943) unterblieben größere „Aktionen“, dennoch verstärkten sporadische Deportationen, der alltägliche Terror von Zwangsarbeit und Unterversorgung sowie Nachrichten aus anderen Ghettos das Gefühl existenzieller Bedrohung. Der Ältestenrat, der am 15. August 1941 eingerichtet wurde, bemühte sich in den engen Grenzen seiner Möglichkeiten um die Herstellung von Normalität, u.a. indem er dem Profit- und Ausbeutungsbestrebungen der Besatzungsinstanzen entgegenkam und die Mehrzahl der Ghettoinsassen 1942/43 mit Arbeiten für die deutsche Rüstungsindustrie beschäftigte. In Folge der Umstrukturierung des Ghetto Kaunas in das Konzentrationslager Kaunas kam es zu zunehmenden Verschlechterung der Lebensbedingungen der Insassen. Am 1. November 1943 übernahm die SS die Herrschaft und konnte bis zum Frühjahr 1944 unter Ausschaltung des Ältestenrates die Ausbeutung durch Zwangsarbeit intensivieren, was mit Selektionen und Deportationen von Alten, Kindern und Kranken einherging. Als die Rote Armee sich immer weiter Kaunas näherte, wurde am 8. Juli 1944 mit der Räumung des Konzentrationslagers begonnen. Die noch lebenden Juden wurden auf Zügen und Schiffen deportiert, die meisten von ihnen kamen in das Konzentrationslager Stutthof. Auf ihren Rückzug steckte die SS das Lagergelände in Brand. Schätzungsweise 2.000 Menschen starben infolge des Brandes und der Zerstörung in ihren Verstecken.
Quelle: Matthäus, Jürgen: Kaunas (Ghetto und KZ), Artikel in: Lexikon des Holocaust, hg. von Wolfgang Benz, München 2002, S. 117-119.